7 Wege in 700 Jahren
14. Jahrhundert: „Römerweg“
Dieser ehemalige Saumweg wurde entgegen seinem Namen erst nach der Öffnung der Schöllenen, vermutlich im 14. Jahrhundert, gebaut. Er windet sich den rechtsseitigen Steilhang des Monte Piottino hinauf, wo man nach der Passhöhe vor dem Abstieg nach Prato Leventina auf die Ruinen des alten Zollhauses (Dazio Vecchio) trifft.
1560: Urner Saumweg
Im 16. Jahrhundert verwirklichten die Urner Landesherren die Absicht, den Güterverkehr mit einer bequemeren, weniger umständlichen Strasse zu erleichtern, und bauten erstmals einen Saumweg direkt durch die Schlucht. Die Tagsatzung bewilligte dazu die Errichtung eines Zollhauses (Dazio Grande).
1820: Kantonsstrasse
Nach dem Erreichen der Unabhängigkeit oblag dem Kanton Tessin die Realisierung eines umfangreichen Strassenbauprogramms. Um 1820 wurde in der Leventina als einer vom Verkehr vorrangig betroffenen Region die Hauptstrasse grosszügig ausgebaut. Der bisherige Urner Saumweg in der Piottinoschlucht wurde bei der Umwandlung in die Kantonsstrasse verbreitert und zur Fahrstrasse ausgebaut.
1882: Gotthardbahn (+ Basistunnel Alp Transit)
Die Gotthardbahn hat die wirtschaftliche Entwicklung des Tales gefördert, aber in den letzten Jahren sind diesem öffentlichen Unternehmen infolge struktureller Neuerungen tiefgreifende Änderungen seines Charakters auferlegt worden. (www.sbb.ch) So ist der Lokalverkehr zu einem grossen Teil an einen Busbetrieb zwischen Airolo und Bellinzona übergegangen.
Um den Erfordernissen des internationalen Verkehrs zu genügen, wird die „alte Linie“ überdies ihre Aufgabe an den im Bau befindlichen Basistunnel (57 km) abtreten, wobei ihre künftige Rolle heute schwierig vorauszusehen ist. (www.alptransit.ch)
1934: Heutige Staatsstrasse
Für den aufkommenden Automobilverkehr waren die engen Kurven in der Schlucht immer stärkere Hindernisse, weshalb die Strasse in einen neuen Tunnel wenige Meter weiter oben verlegt wurde.
1983: Autobahn A2
Mit zahlreichen Kunstbauten wurde der Landschaft durch die Autobahn ein neuer Massstab aufgeprägt ohne glücklicherweise den wilden Eindruck der Schlucht zu beeinträchtigen.
Die dem Verfall überlassene, alte Strasse wurde in Anbetracht ihres historischen und landschaftlichen Wertes durch die Pro Media Leventina kürzlich restauriert und in einen sehenswerten Wanderweg umgestaltet.
Zur Restauration der historischen Strasse in der Piottionoschlucht
von Hans Steiner
Die Initiative zu dieser Restauration geht weit zurück. Ein vor hundert Jahren in Mailand geborener Winterthurer, Rodolfo Steiner, liess sich in den fünfziger Jahren aus beruflichen und gesundheitlichen Gründen in der mittleren Leventina nieder. Vielseitig interessiert und weltoffen, fand er dort Einheimische, mit denen er sich gut verstand. Bald engagierte er sich in den zähen Auseinandersetzungen um die Linienführung der geplanten Gotthardautobahn im Raume Faido. Dabei wuchs in ihm die Einsicht, dass es nicht genügt, die schädlichen Auswirkungen zunehmender Mobilität vom engen Lebensraum im Tal fernzuhalten, sondern dass es ebenso wichtig ist, Schätze und Schönheiten dieser Gegend so zugänglich zu machen, dass Besuchern und Einheimischen beim Wandern die Augen und Sinne dafür aufgehen. Als Starthilfe stiftete er einen Fonds „Pro Media Leventina“ und ernannte seinen Neffen, Robert Steiner aus Winterthur, testamentarisch zu dessen Sachwalter.
Zusammen mit einigen befreundeten Tessinern und vielen freiwilligen Helfern wurde über der „Strada alta“, nahe der Waldgrenze, der Höhenweg „Sentiero dei monti“ als erstes Werk geschaffen. 1993 wagte man sich als zweites Werk an die Restauration der nicht mehr begehbaren, historischen Gotthardstrasse in der Piottinoschlucht und ihre Einbindung als „Strada bassa di Leventina“ in das kantonale Wanderwegnetz. Eine kurz vorher publizierte IVS-Studie[1] über historische Verkehrswege in dieser Gegend diente als Grundlage. Bald zeigte sich, dass die Kosten die Eigenmittel um ein Mehrfaches übersteigen würden. Darum musste der Trägerschaft eine Form gegeben werden, die es ermöglicht, Subventionen zu beantragen, die Öffentlichkeit dies- und jenseits des Gotthards anzusprechen und öffentlich Rechenschaft über die eigene Tätigkeit und Finanzlage zu erstatten. Aus dem Fonds wurde der Verein „Pro Media Leventina“. Sein Vorstand nahm Verbindungen zu Behörden und ihren Fachstellen auf, ebenso zu anderen Institutionen, Stiftungen und Kreisen künftiger Besucher und Gönner. Spannend wurde es in der Schlucht, als endlich Steinhauer und Maurer beginnen konnten, die Stützmauern, Gewölbe und die alte Bogenbrücke in der Schlucht sorgfältig zu sichern und fachgerecht instand zu stellen.
Weitere Höhepunkte waren die Entdeckung eines gut erhaltenen, gepflästerten Stückes des Urner Saumweges von 1560 unter dem um 1820 für die erste Fahrstrasse aufgeschütteten Strassenkoffer, und der festliche Abschluss der Restauration am 27. September 2003 in Anwesenheit von Behördevertretern und eines zahlreichen, froh gestimmten Publikums.
Der Bericht wäre unvollständig ohne den Dank an die Stiftung „Dazio Grande“ und ihren Freundeskreis für das gute Einvernehmen während der beiderseitigen Arbeit an den zwei verschiedenen, aber einst wie jetzt aufeinander bezogenen, historischen Objekten, der Strasse durch die Schlucht und dem Zollhaus.